monumenta

21. – 23. Juni 2024

Internationales Festival für mittelalterliche Musik

Schloss Neuenburg und Stadtkirche St. Marien, Freyburg (Unstrut)

LE MIROIR DE MUSIQUE
Machaut: Im Angesicht des Todes
Balladen, Motetten und Virelais

Zum Nachhören: Konzertaufzeichnung vom Samstag, dem 22. Juni 2024, aus der Stadtkirche St. Marien zu Freyburg

https://www.mdr.de/klassik


Ökumenischer Festgottesdienst des Internationalen Festivals der mittelalterlichen Musik »montalbâne«.

Aufzeichnung vom Sonntag, dem 23. Juni 2024, aus der Stadtkirche St. Marien zu Freyburg

Bis 23. Juni 2025 in der mdr-Mediathek:
https://www.mdr.de/


MITTELALTER UP TO DATE
Eine kleine Rückschau auf das Festival montalbâne

von Norbert Rodenkirchen

Das internationale Festival für mittelalterliche Musik montalbâne fand vom 21. – 23. Juni in Freyburg an der Unstrut statt. Gerne komme ich dem Wunsch nach, als seit Jahrzehnten immer wieder mal eingeladener Musiker ein paar Gedanken von vor, hinter und auf der Bühne mitzuteilen. Dieses Jahr ging es mit einem Augenzwinkern um »Monumente«. In unserer Szene für mittelalterliche Musik werden die Kompositionen des 9. bis 15. Jahrhunderts nämlich nicht wie abgehobene und veraltete Denkmäler behandelt, die möglichst von ihrem Sockel geholt werden sollten. In unserer weltweiten Szene wird vielmehr die mittelalterliche Musik als lebendige Aufführungsform erforscht und aufgeführt, eine Erfahrung in Augenhöhe, Hörweite und in menschlichem Maß, welche Publikum und musikalische Fachwelt jedes Jahr aufs Neue hier in einen regen Austausch bringt, unermüdlich versorgt und betreut vom menschlich engagierten montalbâne Team. Im rückblickenden Gespräch mit der künstlerischen Leiterin seit über 30 Jahren, Susanne Ansorg, wurde vor allem die Vielfalt der verschiedensten musikalischen Zugänge erwähnt, welche die von ihr eingeladenen sieben Ensembles in fantasievollen Programmen verwirklicht hatten. Im Abschlusskonzert begeisterte das Ensemble NIMMERSÊLICH im Beisein des Staatsministers und Ministers für Kultur Herrn Robra mit grandioser Musik aus mitteldeutschen Manuskripten. Das in Leipzig ansässige Ensemble überzeugte mit einem glitzernden Kaleidoskop an Klangfarben und Stilwechseln und braucht sich in keiner Weise hinter den internationalen Kolleg:innen zu verstecken.

Aus Augsburg angereist widmete sich PER-SONAT unter Sabine Lutzenberger dem Mythos von Orpheus in der Unterwelt. Es erklangen frühmittelalterliche Vertonungen, teils in einer sehr archaischen Form der Mehrstimmigkeit vorgetragen, was in der spätromanischen Marienkirche besonders faszinierend wirkte. Ähnlich ursprünglich klang es ebendort im ökumenischen Gottesdienst, musikalisch gestaltet vom hiesigen montalbâne Ensemble, in das sich passenderweise auch ein cooles Jazzsaxophonsolo eingeschlichen hatte. Das Ganze wurde landesweit übertragen vom MDR. 

Mit ebensolcher Leichtigkeit, die dennoch zu einer meditativen Tiefe führte, erklangen gregorianische Gesänge aus Cluny, dem damals größten Zentrum mittelalterlicher Spiritualität; passenderweise fand dies im Naumburger Dom statt, in Blicknähe zu den geheimnisvollen Augen der Uta Skulptur. Stefan Morent sang zudem mit seiner wunderbaren Schola ORDO VIRTUTUM das Latein in altburgundischer Aussprache, also mit ü statt u. Faszinierend! Düster war das Mittelalter sicher nicht, wenn diese hellen Gesänge – klar wie fließendes Wasser – stellvertretend dafür stehen!  Und plötzlich strahlte die Naumburger Abendsonne seitwärts durch die alten Glasfenster und verstärkte den mystischen Eindruck der von Lettner herabschwebenden Mönchsgesänge. 

Eine kontemplative Stimmung verbreitete sich auch in der Neuenburger Doppelkapelle zur Nachtzeit, als die katalanische Portativ-Virtuosin Cristina Alis Raurich mit dem französischen Sänger an der Fidel Brice Duisit einen völlig neuartigen Zugang zur Tradition der Troubadours und Trouveres bot, die ja wichtige Vorläufer des mittelhochdeutschen Minnesangs waren. In festgefügten Motetten eingebundene Gesangsstrophen wurden in die freiere und rhythmisch flexible Vortragsweise der singenden Geschichtenerzähler zurück übertragen. 

Mit Guillaume de Machaut stand wiederum Französisches auf dem Programm von LE MIROIR DE LA MUSIQUE unter Baptiste Romain. Machaut war gut 200 Jahre nach den Troubadours sowohl als melancholischer Poet als auch als wegweisender – fast schon modern zu nennender – Komponist einer der wichtigsten Künstler des 14. Jahrhunderts. Die virtuos Musizierenden spiegelten diese aus der Vergangenheit leuchtende Kunst und ließ sie virtuos und musikwissenschaftlich »up to date« im Heute erklingen.

Überhaupt ging es im Festival oft um die Verbindung von unbändiger Spielfreude und gründlicher Recherche. Der Sänger Marc Lewon – Professor an der Basler Schola Cantorum – bot auf der Neuenburg einen auch für Laien gut verständlichen Vortrag und Masterclass zum jetzigen Forschungsstand in Bezug auf den Minnesang.

Mein eigener Beitrag sei der Vollständigkeit halber zum Schluss erwähnt: die unermüdlich das Festival kuratierende Fidelvirtuosin Susanne Ansorg hatte sich für dieses Jahr zur Eröffnung meine sechsköpfige Version der mittelalterlichen Carmina Burana gewünscht. CANDENS LILIUM präsentierte also Gesänge zwischen leicht und schwer, laut und leise, ernsthaft und doch gleichzeitig unterhaltsam.

Um nun doch noch einen Denkmal-Sockel aufzustellen: Das montalbâne Festival mit seinen innovativen Programmideen und seiner herzlichen Atmosphäre ist für mich als Rheinländer eines der erlesensten Kulturmonumente Mitteldeutschlands. Vielleicht sollte hier einmal deutlich erwähnt werden, dass diese montalbâne-Qualitäten auch international wahrgenommen und bewundert werden. Also: bitte unbedingt weiter so!

www.norbertrodenkirchen.org

Der Musiker Norbert Rodenkirchen ist schon zehnmal Gast des Festivals gewesen. Er unterrichtet zur Zeit mittelterliche Traversflöte an der Genfer Musikhochschule, ist Mitglied renommierter Ensembles wie SEQUENTIA und DIALOGOS und leitet selber CANDENS LILIUM.


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